Tillmann hat geschrieben:Ich mag Jethro Tull, hab aber noch viel zu wenig. Nur ne Best Of und die Bursting Out Live. Da besteht noch Nachholbedarf!
Ich versuch´s mal
Mit der Bursting out hast Du schon einen ziemlich guten Querschnitt des ersten Jahrzehnts, was ja gemeinhin als die absolute Hochphase von Jethro Tull umfasst. Hier finden sich unter den Studiowerken dann auch die meisten Meisterwerke. Wenn man zu Grunde legt, dass von 1968 bis 1980 jedes Jahr mindestens 1 Album veröffentlicht wurde, muss man auch von der kreativen Hochphase sprechen. Trotzdem gab es auch später tolle Veröffentlichungen.
1968 erschien This was ... Dieses war noch fast ein reines Bluesalbum, auf dem neben Ian Anderson mit Mick Abrahams als Gitarrist ein zweiter Musiker ebenfalls für das Songwriting verantwortlich war. Das gab´s danach quasi nie mehr. Ian kann schlecht teilen. Trotzdem sind schon ein paar der bekannten Songs drauf z.B. A Song for Jeffrey, My Sunday Feeling und Dharma for One, welches ich aber in den verschiedenen Liveversionen anders arrangiert stärker finde. Um sich ein Bild von den Anfängen zu machen, ein interessantes Album, mehr aber auch nicht.
Mick Abrahams wollte nicht mehr weitermachen mit Tull, so dass auf dem nächsten Album Martin Barre die E-Gitarre übernahm. Er war aber nicht der Sofortnachfolger, sondern es sollte ursprünglich ein gewisser Tony Iommi den Job kriegen. Der fühlte sich aber nicht wohl mit Tull.
1969 dann Stand up, ein erstes Ausrufezeichen mit den phantastischen Werken Nothing is Easy, Bourée noch mit dem genialen Basssolo, A new Day Yesterday und Fat Man als die bekannten Songs, aber auch die übrigen stehen dem in nichts nach. 1970 folgte mit Benefit ein für viele weniger bekanntes Album, welches aber auch hörenswert ist.
1971 dann der absolute Durchbruch mit Aqualung. Obwohl eine schwache Aufnahme, avancierte das Album schon früh zu einem Klassiker der Band. Die bekannten Stücke wären Aqualung, Cross=eyed Mary, My God, Locomotive Breath und Wind-up. Ich empfehle das Album in der neuesten Remix-Version. Es ist die einzige, die dem Jahrhundertwerk einigermaßen gerecht wird.
Heute würden sich die Bands mal alle ein paar Jahre ausruhen auf einem solchen Erfolg. 1972 jedoch hauten sie mein Lieblingsalbum mit Thick as a Brick raus. Es ist ein einziges Stück Musik, welches seinerzeit nur durch die begrenzte Kapazität der LP in der Mitte unterbrochen war. Wenn Dir durchgehende Musik gefällt, dann hier die absolute Kaufempfehlung. Auch hier gibt es viele Versionen, jedoch war schon 1972 die Aufnahmequalität sehr gut.
Als wäre das alles nicht genug erschien 1972 auch das Doppelalbum Living in the Past, welches B-Seiten der Singles und andere Songs beinhaltet, die es nicht auf die bisherigen Alben geschafft haben. Eine Seite sind zwei Liveaufnahmen u.a. das oben erwähnte Dharma for one.
1973 kam mit A Passion Play noch mal ein durchgängiges Stück Musik heraus, was aber im Vergleich zu Thick as a Brick abfällt. Die Entstehungsgeschichte dieses Albums ist eine sehr interessante, würde aber etwas zu weit führen. Trotzdem ist A Passion Play absolut hörenswert.
Da Ian Anderson für A Passion Play eine Menge Kritik bekam, entschloss er sich, wieder zu den normalen Songstrukturen zurück zu kehren. 1974 erschien War Child, ein im weitesten Sinne Übergangsalbum mit trotzdem sehr bekannten Songs wie Skating away und Bungle in the Jungle.
1975 erschien Minstrel in the Gallery. Insbesondere der Titeltrack beinhaltet ziemlich harten Rock und könnte für den ein oder anderen hier durchaus interessant sein. Für mich isses ein Spitzenalbum, dürfte aber als Einstieg nicht sehr geeignet sein. Auch 1976 Too old to Rock´n Roll too young to die eignet sich trotz des überragenden Titelsongs dazu nicht.
1977 beginnt die rustikale Phase der Band direkt mit dem Album Songs from the Wood, für mich eines der besten 5 Alben von Jethro Tull. Bekannte Songs sind der Titeltrack und Hunting Girl.
1978 wurde Bursting Out veröffentlicht, das zur Tour gehörende Album war Heavy Horses mit dem ebenfalls überragenden Titelsong, welcher sich in meiner TOP 5 befindet.
1979 erschien die dritte in der rustikalen Reihe mit Stormwatch, etwas schwächer, aber mit tollen und auch düsteren Momenten in zwei wirklich guten Longtracks.
1979 war dann auch so ein kleiner Bruch in der Bandhistorie. Bis dahin gab es nur wenige Bandwechsel (im Vergleich zu heute) Clive Bunker an den Drums wurde 1972 durch Barriemore Barlow ersetzt, 1971 ersetzte Jeffrey Hammond-Hammond Glenn Cornick am Bass, wiederum 1976 stieg John Glascock für Jeffrey Hammond-Hammond ein. Das war es bis dahin aber schon. 1979 erkrankte John Glascock so schwer, dass er ein jahr später zu Grabe getragen werden musste. Ian Anderson wollte 1980 ein Soloalbum machen, wo er mit den neuen eletronischen Sachen wie den Syntheziser experimentieren wollte. Die Plattenfirma wollte aber den Namen Jethro Tull und es erschien das Album A (A für Anderson wegen seiner Sologedanken), was dann zum Quasirausschmiss des Keyboarders John Evan, des Organisten David Palmer und des Drummers Barriemore Barlow führte. Danach gaben sich die Musiker immer die Klinke in die Hand, einzige Konstante war bis 2009 Martin Barre, aber der spielt auch seit dem nicht mehr mit Ian. Das Album A hatte eine wunderbare erste Seite mit 4 tollen Songs, der Rest war ziemlicher Schrott mit noch einer Ausnahme.
Aber mit diesem Album begann die schwierige Zeit in den 80ern, als Ian Anderson den Nimbus ziemlich verspielte, obwohl 1982 mit The Broadsword and the Beast eines der bisher erfolgreichsten Alben in good old Germany erschien. Und es ist wirklich der Einstieg in die 80er, sehr schön gelungen. Aber Ian war nicht so zielsicher, es folgte 1984 mit Under Wraps ein ziemlicher Tiefpunkt, sehr elektronisch, teilweise mit Technoelementen, obwohl man das damals ja noch gar nicht kannte. Zu allem Überfluss war der Gesang so extrem, dass sich Ian Anderson auf der nachfolgenden Tour seine Stimmbänder nachhaltig schädigte.
Somit wurden die Pausen länger. Erst 1987 erschien Crest of a knave, ein Album, was wieder versöhnte. Seine Stimme war aber deutlich eine Tonlage tiefer, manche warfen ihm sogar einen Gesang wie Mark Knopfler vor, was aber für einen Song sogar stimmt. Aber auf diesem Album gibt es wieder absolute Highlights mit Farm on the Freeway, Jumpstart und das 10minütige Budapest. Auch die E-Gitarre war wieder deutlich in der härteren Gangart. Interessanterweise wird das zu diesem Album zugehörige T-Shirt oder Sweatshirt von einem gewissen Steve Harris getragen, was man sehr deutlich auf den Photos von 7th son sehen kann. Ein Meister huldigt einem Meister
Anschließend hielt er sich noch zweimal an einen 2Jahresrythmus mit Rock Island und Catfish Rising. Das zweite ist mal wieder ganz im Zeichen des Blues und das erstere mehr Richtung härterem Rock. Danach begann er, die Abstände auf 4 Jahre zu verlängern. 1995 der für lange Zeit letzte Höhepunkt Roots to Branches mit wirklich guten Songs, die dem breiten Publikum nicht mehr so bekannt sein dürften, 1999 das eher durchschnittliche Dotcom. Studiotechnsich folgte dann so gute wie nichts mehr, wenn man mal seine Soloalben und das Christmasalbum außer Acht lässt. Ansonsten waren sie dauerhaft auf Tour
2009/10 kam dann die vorübergehende Trennung von Martin Barre und die meisten Fans glaubten, dass es das war, bis na ... 2012: Thick as a Brick 2. Mancher Fan wird eine heimliche Träne verdrückt haben, aber ich finde dasAlbum einfach nur hervorragend und die dazzu gehörende Tour, auf der er beide Alben namens Thick as a Brick in Gänze aufführt, habe ich mir mit einer Show nach 7 jähriger Abstinenz auch gegönnt.
Und sei es nicht genug, Ende 2013 geht Ian wieder in Studio.Je oller, je doller.
Meine Albumempfehlungen wären (in der Reihenfolge, man muss ja nicht alles zu gleich kaufen
)
1. Aqualung
2. Thick as a Brick
3. Songs from the Wood
4. Broadsword and the Beast
5. Crest of a Knave
6. Thick as a Brick 2
7. Roots to Branches
Sicher eine subjektive Einschätzung, aber wenn es Dir gefällt und wirklich beim 7. Album ist, dann erschließt man sich auch alles andere.
Viel Vergnügen